Die brasilianische Marie Antoinette
Die neue First Lady Marcela Temer gibt gern fremdes Geld aus.
Marcela Temer, seit Mittwoch Brasiliens First Lady, könnte aus dem Wunschkatalog eines Männermagazins stammen. Als «wunderschön, sittsam und häuslich» beschrieb sie eine Zeitschrift. Das war als Kompliment gemeint.Die Absetzung der linken Präsidentin Dilma Rousseff durch Michel Temer spaltet das Land. Temers Gattin Marcela vertieft den Graben. Für ihre Kritiker verkörpert sie den reaktionären Charakter der neuen Regierung, in der nur grauhaarige, reiche, weisse Männer sitzen.
Marcela wählte den schnellsten Weg nach oben: Sie heiratete einen grauhaarigen, reichen, weissen Mann. 19 Jahre alt war sie, als sie Michel Temer traf, er 62. Marcela war als Mittelstandskind in einer Provinzstadt bei São Paulo aufgewachsen. Sie trug den Titel einer Vize-Schönheitskönigin und arbeitete am Empfang einer Lokalzeitung, als sie 2002 Verwandte auf eine Parteiveranstaltung der PMDB begleitete. Dort sah sie Michel Temer, bekannter Millionär und langjähriger PMDB-Abgeordneter. Sie bat ihn um ein Foto, bekam eines; und eine Telefonnummer dazu. Die Mutter begleitete sie ans erste Date, schon ein Jahr später heirateten die beiden. Es war eine geheime Feier. Der Altersgraben von 43 Jahren sah wohl zu wenig gut aus.
«wunderschön, sittsam und häuslich»
Die
Eltern störte dieser nicht: Die Nörgler seien nur eifersüchtig, sagte
die Mutter. Marcela meinte kürzlich: «Es fühlt sich an, als ob Michel 30
wäre. Das Alter ist gleichgültig.» Als Michel Temer 2011 Vizepräsident wurde (damals politisierte er noch an der Seite von Dilma Rousseff), stieg seine Frau rasch zum Liebling der Boulevardmedien auf. Man pries ihren guten Stil, verglich sie mit Carla Bruni und Jackie Kennedy. Temer veröffentlichte einen Gedichtband über sein Liebesleben, erotische Fotos von Marcela kursierten. Sie inszenierte sich als treue Hausfrau, die den Sohn zur Schule bringt und sich «Michel» auf den Nacken tätowieren lässt.
Gleichzeitig genoss Marcela ihren Reichtum. Am offiziellen Wohnsitz des Vizepräsidenten liess sie millionenteure Renovationen ausführen, «damit sich ihr Sohn zu Hause fühle». Die dreiköpfige Familie beschäftigt über 50 Angestellte, darunter allein vier Haushälterinnen, um Kleider zu waschen und zu bügeln. Das alles zahlt der Staat. Dazu fliegt Marcela mit Mutter und Schwester First Class nach New York oder Miami, um einen Tag lang zu shoppen, was sie im Internet unbeschwert dokumentiert. An einem UNO-Nachhaltigkeitsgipfel liess sie eine Modeschau für Juwelen durchführen.
Das alles passt schlecht zur Mission ihres Mannes. Brasilien geht es schlecht, die Wirtschaft lahmt. Temer will vor allem sparen, der Staat gebe viel zu viel Geld aus. Kritiker haben einen neuen Vergleich für Marcela Temer gefunden: Marie Antoinette. Die französische Königin prunkte, während das von ihrem Mann regierte Volk hungerte. (Tages-Anzeiger)
(Erstellt: 01.09.2016, 23:22 Uhr)
copy http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/amerika/treu-und-teuer/story/24178280
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